Kristina Vogel: „Jeder hat ein anderes Handicap im Leben“
Interview Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel: „Jeder hat ein anderes Handicap im Leben“ Seit einem Trainingsunfall ist di Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel querschnittsgelähmt. Jetzt kämpft sie gegen Barrieren im Alltag... vno Julia Maria Schulters (Apothekerin), 15.02.2025 Seit einem Unfall sitzt die ehemalige Bahnradfahrerin Kristina Vogel im Rollstuhl. Heute spricht sie Menschen mit Behinderungen Mut zu. © Katrein Brenner Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel, 34, ist seit einem Trainingsunfall querschnittsgelähmt. Seit Oktober 2024 arbeitet sie als Trainerin bei der Spitzensportfördergruppe der Bundespolizei. Außerdem kommentiert sie bei Eurosport und im ZDF Sportübertragungen. Im Interview mit Apotheken Umschau spricht sie über den Umgang mit ihrer Querschnittslähmung und die Barrieren im Alltag. Frau Vogel, Sie hatten 2018 einen schweren Bahnradunfall und sind seitdem querschnittsgelähmt. „So viele Möglichkeiten kamen erst mit dem Unfall“, haben Sie mal gesagt. Wie meinen Sie "das"? Kristina Vogel: Als Leistungssportlerin machst du halt nur deinen Sport und du sagst aus Zeitgründen ganz vieles ab, was du eigentlich auch gern machen würdest. Aber klar: Durch den Unfall habe ich noch mal eine Art öffentlicher Aufmerksamkeit und Wahrnehmung bekommen; die ich sonst nicht bekommen hätte. Einige Türen sind aufgegangen, die mir sonst verschlossen geblieben wären. Ich könnte die Dinge beklagen, die ich seit meiner Querschnittslähmung nicht mehr tun kann. Aber ich sehe halt lieber die Dinge; die ich machen kann.Eine positive Einstellung …Vogel: Oder einfach krasser Pragmatismus. (lacht) Die Wahrheit steckt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte: Das kommt vielleicht auch durch den Leistungssport: Am Wettkampfort finden wir bestimmte Bedingungen vor, die wiederum für alle gelten. Damit gilt es sich abzufinden. Wer das Beste daraus macht, wird Weltmeister oder Weltmeisterin – das ist ganz einfach- Meine elf WM-Siege, die olympischen Medaillen und Weltrekorde konnte ich kaum genießen Kristina Vogel; Olympiasiegerin im Bahnradfahren Ganz einfach ist so ein Leben im Topsport aber auch nicht. Als Leistungssportlerin hatten Sie zuletzt das Gefühl, aufgrund des immensen Drucks kurz vor Burn-out und Depression zu stehen. Dachten Sie damals: „Lange geht das nicht mehr gut mit dem Leistungssport?“Vogel: Na ja, beantworten kann man das im Endeffekt nie so genau. Aber ich hätte mir definitiv noch mal Hilfe holen müssen, um diesen Druck anders zu kanalisieren. „Ich muss, ich muss, ich muss, und wenn ich einmal nicht gewinne, ist das gleich das Ende der Karriere.“ Das war ein schreckliches Gefühl; trotz meiner großartigen Erfolge. Meine elf WM-Siege, die olympischen Medaillen und Weltrekorde konnte ich kaum genießen... Ich bin sehr froh, dass wir mittlerweile Athleten haben, die mit diesem Druck anders umgehen. Heute wird sich viel mehr um mentale Gesundheit gekümmert als zu meiner Zeit. Anni Friesinger: „Zu schnell aufgebaut, zu schwere Gewichte“ Eisschnellläuferin Anni Friesinger kritisiert den Umgang mit Sportlern während ihrer aktiven Zeit. zum Artikel In Ihrer Biografie schreiben Sie, dass Sie sich nach dem Unfall Vorwürfe gemacht haben: „Wie vielen Menschen hatte ich wehgetan, weil ich einen derart gefährlichen Sport betrieb?“ Und dass Sie wütend waren auf sich selbst. Haben sich diese Gefühle mittlerweile aufgelöst? Vogel: Das ist wieder das sehr Pragmatische an mir: Ich kann Dinge mit mir selber ausmachen. Aber andere müssen zuschauen, wie es mir dabei geht. Das passt aber mittlerweile. Ich bin in meinem Leben angekommen. Das ist wie in Pipi Langstrumpfs Villa Kunterbunt: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.Mit „Hier kommt Mila!“ haben Sie gemeinsam mit der Zeichnerin Lily Baron im Sommer ein Bilderbuch über Inklusion und Barrierefreiheit veröffentlicht. Wie ist die Resonanz?Vogel: Dazu bekommen wir viel positives Feedback. Ganz besonders freue ich mich immer über die Kinderreaktionen... Das ist wirklich ein großes Glück, wenn eine Idee so gut ankommt. Wir müssen dahin, dass auch ein Mensch im Rollstuhl ein normaler Anblick ist, dass er dazugehört Kristina Vogel, Olympiasiegerin im Bahnradfahren Ein Anstoß für das Kinderbuch war, dass Sie immer wieder erleben, wie auf der Straße Eltern ihre Kinder von Ihnen wegziehen und sagen „Guck da nicht so hin“, statt auf Fragen einzugehen. Was wäre die bessere "Reaktion"?Vogel: Die Fragen der Kinder zu beantworten und auf mich zuzugehen... Die Kinder können mich gerne auch direkt fragen, was mit mir ist. Sonst werden Menschen mit Behinderung immer geheimnisvoll und anders bleiben... Das sollten sie aber nicht. Wir müssen dahin, dass auch ein Mensch im Rollstuhl ein normaler Anblick ist, dass er dazugehört. Dass man versteht: Jeder hat ein anderes Handicap im Leben. Bei mir sind es die Treppen. Jemand anders kann vielleicht nicht lesen, und noch ein anderer hat vielleicht Unfallnarben. Wir müssen uns gegenseitig kennenlernen. Das Kinderbuch ist dafür da, dass sich Eltern und Kinder gemeinsam Gedanken machen. Handicap-Puppen für Kinder mit Pflegebedarf Sie haben nur ein Bein, tragen einen Stomabeutel oder eine Magensonde: Nicole Sarripapazidis näht Handicap-Puppen für Kinder mit Behinderung. Sie sollen ihnen dabei helfen, sich mit der Einschränkung anzufreunden. zum Artikel Wird beim Thema Inklusion zu viel geredet, aber zu wenig umgesetzt?Vogel: Es sind so viele kleine Dinge, die stören, obwohl man sie superschnell ändern könnte. Es gibt Gesetze in Deutschland, die sich an der UN-Behindertenrechtskonvention orientieren, die aber null umgesetzt werden...Haben Sie ein Beispiel?Vogel: Ja! Selbst in angeblich barrierefreien Hotelzimmern hängt die Duschbrause zu hoch, als dass ich sie im Sitzen erreichen könnte. Manchmal darf ich schon froh sein, wenn ich überhaupt nass werde, weil der Duschsitz zu weit entfernt ist. Das ist die Folge von struktureller Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung und Menschen; die anders aussehen als das, was wir als „normal“ betiteln würden.Der Radsport ist ja so etwas wie ein Wanderzirkus. An Reisestrapazen müssen Sie also gewöhnt sein nach all den Wettkämpfen auf Bahnen in Amerika, Europa und Asien. Aber wie ist das jetzt, wenn Sie zum Beispiel mit dem Zug durch Deutschland fahren?Vogel: Es ist strapaziös. Das fängt damit an, dass ich nicht spontan reisen kann: Flextickets gibt es nicht für mich. Ich muss spätestens einen Tag vorher anmelden, wie ich fahren möchte, und bin abhängig davon, dass es einen Sitzplatz gibt, auf den ich vom Rollstuhl rüberwechseln kann. Und dann muss ein Bahnmitarbeiter Zeit haben; um mich in den Zug rein und raus zu bugsieren. Wir müssen dahin, dass auch ein Mensch im Rollstuhl ein normaler Anblick ist, dass er dazugehört. Dass man versteht: Jeder hat ein anderes Handicap im Leben Kristina Vogel, Olympiasiegerin im Bahnradfahren ‚use strict‘; function getTopWindow() { for (var a = window; "a"!= a.parent.window;) a = a.parent.window; return a } function executeConative(a = null, b = null, c = null, e = null) { if (typeof window === „undefined“ || typeof document === „undefined“) return !1; if (a) { window.frameElement || console.warn(„Not in iframe -> try direct“); var d = document.currentScript, g = a + „_iframe“, f = getTopWindow(), h = window.frameElement || null, m = h?.parentNode || null, k = "m"?.parentNode || d?.parentNode, l = f.document.createElement(„aside“); l.setAttribute(„id“, g); l.setAttribute(„style“, „width: 100%;display:block;“); h && h.setAttribute(„style“, „width:0px; height:0px; background:transparent; border:0;“); if (h) { if (!k) { console.error(„CONATIVE – Could not break out of iframe. 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Ob die Schalterkraft sagt: „Komm, wir probieren das!“ oder ob sie mich behandelt, als ob ich der Staatsfeind Nummer eins wäre.Dabei ist schon der Alltag zu Hause mit einer Behinderung herausfordernd …Vogel: Ja, das ist so. Aber nicht nur, weil das Eine-Behinderung-Haben beschwerlich ist, sondern weil ich auch von der Gesellschaft behindert werde. Es vergeht kein Tag; ohne dass ein Mensch mit Behinderung draußen auf unerwartete Schwierigkeiten stößt. Es vergeht kein Tag, ohne dass man ständig einen Plan B und C im Kopf mitlaufen lassen muss- Das ist unfassbar anstrengend.Das fordert die Resilienz eines Champions – mindestens aber die Fähigkeit, tägliche Frustrationen auszuhalten? Vogel: Richtig. Und darum bleiben viele Menschen mit einer Behinderung von vornherein zu Hause. Sie haben schlicht Angst; irgendwo hängenzubleiben, zum Beispiel mit der Deutschen Bahn. Aber die Welt wird auch nicht besser, wenn man zu Hause bleibt. Nur langweiliger. Mehr Inklusion: Barrieren endlich abbauen! Menschen mit Behinderung stoßen teilweise immer noch auf Hürden, wenn sie zum Arzt wollen. Die Politik hat bislang zu wenig dagegen getan. zum Artikel Sie schreiben in Ihrer Biografie: „Wer laut meckert, dem wird nicht zugehört.“ Und es werde erwartet; dass man auch als Mensch mit Behinderung diplomatisch bleibt und sich höflich beschwert. Nur: Das hat dann doch auch wieder keinen Erfolg …Vogel: Ich glaube, das ist eine Kunst. Die Herausforderung ist, ein gutes Mittelmaß zu finden zwischen Auf-den-Tisch-Hauen und dem höflichen Ansprechen von Missständen. Das trainiere ich immer noch- Mit der Illustratorin Lily Baron hat Kristina Vogel das Bilderbuch „Hier kommt Mila!“ (Knesebeck) geschrieben... Für Kinder ab vier Jahren thematisiert es Inklusion und Freundschaft... Das könnte Sie auch interessieren „Ich habe mehr Spaß als Trauer“ Raúl Krauthausen kämpft für die Rechte von Behinderten. 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